Tschechoslowakei
Beschreibung
Tschechoslowakei war ein Bundesstaat, der aus zwei Nationalstaaten bestand: Tschechische sozialistische Republik und Slowakische Sozialistische Republik. Der Bundesstaat hatte ein einheitliches staatliches Bildungswesen. Die Verantwortung für die Umsetzung der Berufsbildung lag bei den Schulministerien der einzelnen Republiken. Die Föderalversammlung der Tschechoslowakei hat die einheitliche Ausübung der staatlichen Verwaltung durch die nationalen Schulministerien sichergestellt.
Im Jahr 1976 wurde die Schulpflicht in der Tschechoslowakei auf 10 Jahre festgesetzt. Die Dauer der Grundschule wurde gelichzeitig auf acht Jahre reduziert. Somit musste jeder Jugendliche für zwei Jahre eine der drei Mittelschultypen besuchen, um die Schulpflicht zu erfüllen: Gymnasium, Fachmittelschule und Berufsschule. Die Lehrlingsausbildung, die zuvor im Betrieb und in der Produktion stattfand, wurde vollständig in das Schulsystem integriert.
Eine wesentliche Grundforderung des Bildungssystems war Berufsausbildung für alle Jugendliche:
- An den Gymnasien wurde eine beruflich-orientierte Grundbildung vermittelt. Zweck der beruflich-orientierten Grundbildung war neben der Vermittlung der Hochschulreife auch der Erwerb beruflicher Qualifikation. Die beruflich-orientierte Grundbildung betrug 2 Stunden in der 9. und 10. Klasse, 4 Stunden in der 11. Klasse sowie 6 Stunden in der 12. Klasse. Insgesamt umfasste die Ausbildung etwa 440 Stunden und ein 4-wöchiges Praktikum. Den Gymnasiasten wurde nach der Abschlussprüfung ein Zeugnis der vollständigen mittleren Allgemeinbildung (Vysvědčení o maturitní zkoušce) ausgestellt. Die Vermittlung einer abgeschlossenen Berufsausbildung stand dabei nicht im Fokus. Ein Teil der Schüler legte aber Qualifikationsprüfungen ab, so dass Ihnen die Eingangsqualifikationsstufe zuerkannt wurde.
- An den mittleren Berufsschulen konnte die Ausbildung in den meisten Arbeiterberufen absolviert werden. Gleichzeitig wurde dabei auch die Allgemeinbildung weitergeführt. Über die Hälfte aller Jugendlichen ging nach der 8. Klasse auf diese mittleren Berufsschulen. Am Ende einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung wurde der Facharbeiterbrief (Výuční list) ausgestellt. Die mittleren Berufsschulen untergliederten sich in drei Niveaustufen:
- 2-jährige Ausbildung in einfachen (Teil-) Berufen, mit 4-monatigem Betriebspraktikum im Anschluss; im Jahr 1988 wurde das 4-monatige Betriebspraktikum abgeschafft; die Absolventen erreichten die Qualifikationsstufe II; die Ausbildungszeit war wie folgt gegliedert: ca. 35 % allgemeinbildende, ca. 20 % berufstheoretische und ca. 45 % berufspraktische Fächer;
- 3-jährige Ausbildung in komplexeren Facharbeiterberufen, mit 4-monatigem Betriebspraktikum im Anschluss; im Jahr 1989 wurde das 4-monatige Betriebspraktikum bei einem Drittel der 3-jährigen Berufe abgeschafft; die Absolventen wurden in die Qualifikationsstufe III eingruppiert; die Gesamtausbildungszeit war wie bei den 2-jährigen Ausbildungsgängen verteilt;
- 4-jährige Ausbildung in begrenzter Anzahl ausgewählter anspruchsvoller Facharbeiterberufe; die Absolventen erreichten die Qualifikationsstufe IV; ca. 40 % entfiel auf allgemeinbildenden Unterricht, rund 25 % auf Fachtheorie und ca. 35% auf berufspraktischen Unterricht; das Letzte Jahr war für die berufliche Praxisphase vorgesehen.
Infolge Abschaffung der dualen Lehrlingsausbildung mit einhergehender Verlagerung vom Arbeitsplatz zur Lehrwerkstatt, breiterer theoretischer Profilierung der Ausbildungsberufe und Verringerung des berufspraktischen Unterrichts zugunsten allgemeinbildender Fächer sank die berufspraktische Qualifikation der Absolventen.
- An den Fachmittelschulen wurde in 4 Jahren eine mittlere berufliche Qualifikation vermittelt. Zu diesem Niveau gehören als besonderes anspruchsvoll eingeschätzte Arbeiterberufe und mittlere Kader im technischen, ökonomischen, kulturellen, medizinischen und erzieherischen Bereich. Neben dem Zeugnis über Abschlussprüfung (Vysvědčení o závěrečná zkouška) wurde auch ein Zeugnis der vollständigen mittleren Allgemeinbildung (Vysvědčení o maturitní zkoušce) erworben, welches dazu berechtigte, sich an einer Hochschule zu bewerben. Die Fachmittelschulen qualifizierten nicht direkt für eine Ausübung bestimmter Funktionen oder Berufstätigkeiten. Sie verfolgten eher das Ziel, den Absolventen das Arbeiten in einer gesamten Berufsgruppe zu ermöglichen.
Quelle:
Hans Göring, Anerkennung von Aussiedlerzeugnissen: Berufliche Bildung und berufliche Qualifikation in der Tschechoslowakei, Bundesinstitut für Berufsbildung, 1992.
Gesetz Nr. 63/1978 der Föderalversammlung der Tschechoslowakei vom 21. Juni 1978 über Maßnahmen im System der Grund- und Mittelschulen
Das Berufsbildungswesen war in der Tschechoslowakei vollständig verstaatlicht. Es gab keine privaten Bildungseinrichtungen. Daher sind alle in der Tschechoslowakei erworbenen Abschlüsse (die Echtheit von Zeugnissen beachten) staatlich anerkannt.