Griechenland
Beschreibung
Das griechische Bildungssystem unterliegt der Aufsicht des Ministeriums für Bildung, Forschung und Religion (Υπουργείο Παιδείας, Έρευνας και Θρησκευμάτων), welches auch für den Bereich der beruflichen Erst- und Weiterbildung verantwortlich ist. Die Berufsbildung in den Berufsschulen der Organisation für die Beschäftigung des Arbeitskraftpotenzials (Οργανισμός Απασχόλησης Εργατικού Δυναμικού, OAED) fällt hingegen in den Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Arbeit und soziale Angelegenheiten (Υπουργό Εργασίας και Κοινωνικών Υποθέσεων). Für die Zertifizierung von Berufsqualifikationen ist die Nationale Organisation für die Zertifizierung von Qualifikationen und Berufsberatung (Εθνικός Οργανισμός Πιστοποίησης Προσόντων και Επαγγελματικού Προσανατολισμού, Ε.Ο.Π.Π.Ε.Π.) zuständig.
Mit dem Berufsbildungsgesetz 2020 sind zwei neue Ausbildungswege im griechischen Berufsbildungssystem eingeführt wurden. Nach der Sekundarstufe I werden Ausbildungsprogramme in Berufsschulen (Επαγγελματικές Σχολές Κατάρτισης, ESK) und in den neuen Berufsschulen (Επαγγελματικές Σχολές, ΕPAS) der Organisation für die Beschäftigung des Arbeitskraftpotenzials (Οργανισμός Απασχόλησης Εργατικού Δυναμικού, OAED) angeboten. Die Ausbildung dauert in beiden Berufsschulen zwei Jahre und zeichnet sich durch einen hohen Praxisanteil aus, der im Betrieb vermittelt wird. Die Absolvent:innen der Berufsschulen ESK erhalten nach erfolgreichem Abschluss ihrer Ausbildung eine Bescheinigung über die betriebliche Ausbildung (Βεβαίωση Επαγγελματικής Κατάρτισης) und die Absolvent: innen der Berufsschulen EPAS der OAED eine Berufsausbildungsbescheinigung (Βεβαίωση Επαγγελματικής Εκπαίδευσης). Die oben genannten Zertifikate berechtigen zur Teilnahme an den Zertifizierungsprüfungen, um das Berufsbildungsdiplom auf Niveau 3 des Nationalen Qualifikationsrahmens (Πτυχίο Επαγγελματικής Ειδικότητας, Εκπαίδευσης και Κατάρτισης επιπέδου 3, EQF 3) zu erhalten. Diese Prüfungen werden vom zentralen Prüfungsausschuss der EOPPEP durchgeführt und finden mindestens einmal jährlich statt.
Im Rahmen der beruflichen Erstausbildung können Jugendliche in Griechenland eine Ausbildung an einem beruflichen Lyzeum (Επαγγελματικό Λύκειο, EPAL) absolvieren. Die Ausbildung an den beruflichen Lyzeen EPAL findet tagsüber in Form von Vollzeitunterricht oder berufsbegleitend in Abendklassen statt. Je nach Unterrichtsform dauert die Ausbildung drei Jahre (Vollzeit) oder vier Jahre (Abendklassen) und endet mit einem doppelt qualifizierenden Abschluss (Απολυτήριο Επαγγελματικού Λυκείου). Weiterhin erhalten Absolvent:innen ein Ausbildungszertifikat (Πτυχίο Επαγγελματικής Ειδικότητας, Εκπαίδευσης και Κατάρτισης επιπέδου 4, EQF 4). Vermittelt werden dabei allgemeinbildende Inhalte und berufsrelevante Fertigkeiten im gewählten Berufszweig. Absolvent: innen der EPAL steht auf Grund ihres doppeltqualifizierenden Abschlusses ein breites Spektrum an weiteren Bildungs- und Berufswegen offen:
- Übergang in den Arbeitsmarkt;
- Ein einjähriges betriebliches Praktikum (Τάξη μαθητείας) im Postsekundärbereich;
- Besuch von postsekundären Berufsbildungsinstituten (Ινστιτούτα Επαγγελματικής Κατάρτισης, IEK).
- Fortsetzung der Ausbildung an einer Hochschule (Ανώτατα Εκπαιδευτικά Ιδρύματα, AEI) oder Fachhochschule (Ανώτατα Τεχνολογικά Εκπαιδευτικά Ιδρύματα, ATEI);
Für Absolvent:innen der Sekundarstufe II besteht die Möglichkeit ein einjähriges betriebliches Praktikum (Τάξη μαθητείας) des Berufslyzeums im Postsekundarbereich zu absolvieren. Dieses führt zum Erwerb des Ausbildungszertifikats (Πτυχίο Επαγγελματικής Ειδικότητας, Εκπαίδευσης και Κατάρτισης επιπέδου 5, EQF 5), nach der Ablegung der Zertifizierungsprüfungen der EOPPEP.
Die Berufsausbildungsinstitute IEK des Postsekundarbereichs können sowohl öffentlich als auch privat geführt sein. In den Berufsausbildungsinstituten dauert die Ausbildung vier bis fünf Semestern, einschließlich der Praktikumszeit, die ein Semester beträgt. Auszubildende, die eine Berufserfahrung von mindestens 120 Arbeitstagen in der angemeldeten Fachrichtung nachweisen können, sind vom Pflichtpraktikum befreit. Für Absolvent: innen des Berufslyzeums verkürzt sich die Dauer der Ausbildung auf zwei bis drei Semester, wenn es sich um das gleiche Berufsfeld handelt. Am Ende der Ausbildung in den Berufsausbildungsinstituten erhalten die Absolvent:innen eine Berufsausbildungsbescheinigung (Βεβαίωση επαγγελματικής κατάρτισης). Anschließend müssen sie noch an theoretischen und praktischen Prüfungen der EOPPEP teilnehmen, um das staatliche Berufsbildungszertifikat (Πτυχίο Επαγγελματικής Ειδικότητας, Εκπαίδευσης και Κατάρτισης επιπέδου 5) zu erlangen - welches auf EQF 5 einzustufen ist.
Ferner gibt es der Ausbildungsweg einer höheren Berufsausbildung, der mindestens zwei Jahre dauert. Zugang zur höheren Berufsausbildung haben in der Regel Absolvent:innen des allgemeinen Lyzeums oder des beruflichen Lyzeums. Diese Ausbildung findet in Berufsbildungseinrichtungen statt, die von unterschiedlichen Ministerien beaufsichtigt werden. Der praktische Anteil wird in einem Betrieb absolviert. Nach erfolgreicher Abschlussprüfung erhalten die Auszubildenden einen Abschluss der höheren Berufsausbildung (Πτυχίο ανώτερης επαγγελματικής, EQF 5).
Die Euro-Krise und die damit für Griechenland verbundenen Auflagen haben zu deutlichen Veränderungen in der staatlichen Verwaltung Griechenlands geführt, wovon auch der Bereich der beruflichen Bildung betroffen ist. Noch bis Anfang 2012 war die nationale Organisation für Berufsbildung OEEK (Organismos Epangelmatikis Ekpaidefsis kai Katartisis; Οργανισμός Επαγγελματικής Εκπαίδευσης και Κατάρτισης) für die Curricula zuständig. Die OEEK wurde nun in eine neue Behörde mit dem Namen „Nationale Organisation für die Zertifizierung von Qualifikationen und Berufsberatung (EOPPEP)“ überführt. Weitere, für die berufliche Bildung verantwortliche Institute, die vor der Restrukturierung direkt an die OEEK angeschlossen waren, wurden zwischenzeitlich dem Generalsekretariat für Lebenslanges Lernen angegliedert. Beide Einrichtungen („Nationale Organisation für die Zertifizierung von Qualifikationen und Berufsberatung (EOPPEP)“, „Generalsekretariat für Lebenslanges Lernen“) sind dem Ministerium für Bildung, Lebenslanges Lernen und Religionen unterstellt.
Am 21.12.2020 ist in Griechenland ein neues Bildungsgesetz 4763/2020 in Kraft getreten.
Änderungen durch das neue Bildungsgesetz:
- Einrichtung eines nationalen Berufsbildungssystems, das basierend auf den Niveaus drei (3), vier (4) und fünf (5) des nationalen Qualifikationsrahmens entwickelt wird, die denen des europäischen Qualifikationsrahmens (EQF) entsprechen.
- Einführung von zwei neuen Ausbildungswegen im griechischen Berufsbildungssystem. Im Sekundarbereich II werden Ausbildungsprogramme in Berufsschulen ESK (Επαγγελματικές Σχολές Κατάρτισης, ΕΣΚ) und in den neuen Berufsschulen (Επαγγελματικές Σχολές, ΕΠΑ.Σ) der Organisation für die Beschäftigung des Arbeitskraftpotenzials (Οργανισμός Απασχόλησης Εργατικού Δυναμικού, OAED) angeboten. Die Ausbildung umfasst in beiden Berufsschulen zwei Jahre und zeichnet sich durch einen hohen Praxisanteil aus, der im Betrieb vermittelt wird. Die alten EPAS- Schulen der OAED werden dementsprechend abgeschafft.
- Zertifizierung der Absolvent:innen: Die Absolvent:innen der Berufsschulen ESK, der Berufsbildungsinstitute IEK und der postsekundären Lehrlingsklasse im Berufslyzeum erwerben nach erfolgreichem Abschluss ihrer Ausbildung eine Bescheinigung über eine betriebliche Ausbildung (Βεβαίωση Επαγγελματικής Κατάρτισης). Die Absolvent: innen der Berufsschulen EPAS der OAED erhalten eine Berufsausbildungsbescheinigung (Βεβαίωση Επαγγελματικής Εκπαίδευσης). Die oben genannten Zertifikate berechtigen zur Teilnahme an den Zertifizierungsprüfungen des Nationalen Qualifikationsrahmens, um die Qualifikation auf den Niveaus drei (3) und fünf (5) zu erhalten. Diese finden mindestens einmal jährlich statt.
- Inbetriebnahme neuer Pilotberufsschulen. Ziel der neuen Pilotberufsschulen ist die direkte Verknüpfung der beruflichen Bildung mit den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes durch neue Fachrichtungen und neue Ausbildungsordnungen, die an die wirtschaftlichen und beruflichen Bedürfnisse des Landes angepasst sind. Folgende Pilotschulformen werden eingeführt: Standardberufslyzeum PEPAL (Πρότυπο Επαγγελματικό Λύκειο, P.EPAL), experimentelles Berufsbildungsinstitut (Πειραματικά ΙΕΚ) und thematisches Berufsbildungsinstitut (Θεματικά ΙΕΚ).
- In den neuen Standardberufslyzeen PEPAL wird während der Ausbildung einmal wöchentlich ein sechsstündiges Praktikum durchlaufen, das in öffentlichen Einrichtungen oder in Unternehmen des Privatsektors der Region stattfindet. Wenn kein Praktikumsplatz gesichert ist, wird der Praxisanteil entsprechend im Schullabor durchgeführt.
Historische Entwicklung
Beschreibung
Die weiterführende Sekundarebene II (ISCED 3) umfasste nach der Reform von 1997 mit den neuen Gesetzen 2525/97 und 2640/98 zwei verschiedene Schultypen: das allgemeinbildende Lyzeum (Γενικό Λύκειο) und die berufsbildende Schule (Τεχνικό Επαγγελματικό Εκπαιδευτήριο – TEE). Der Unterricht am allgemeinbildenden Lyzeum dauerte drei Jahre und an den berufsbildenden Schulen (TEE) zwei Jahre („A-Level“) bzw. drei Jahre („B-Level“). An den TEE gab es also zwei verschiedene Studienabschnitte mit zwei separate Abschlusszeugnisse. Weiterhin erhielten die Absolventen der TEEs ein Ausbildungszertifikat (Πτυχίο). Es bestand die Möglichkeit, dass Schüler/innen den Schultyp wechseln, wobei es zu Übergängen von einem Typ zum anderen kam. Neben den Tagessekundarschulen gab es auch das Abendgymnasium (Εσπερινό Γυμνάσιο).
Das Bildungsministerium hatte die Gesamtverantwortung für die Entwicklung und Genehmigung der Lehrpläne und war für die Aufsicht der meisten dieser Schulen zuständig. Bei bestimmten TEE oblag die Aufsicht dem Gesundheits- und Sozialministerium, dem Landwirtschaftsministerium und dem Entwicklungsministerium. Diese TEE boten berufsbezogenen Unterricht auf speziellen, den jeweiligen Ministerien entsprechenden Fachgebieten an.
Vor der Reform von 1997 gab es anstatt der TEE die technisch berufliche Schule (TES) und das technisch berufliche Lyzeum (TEL). Die Reformen in den letzten 50 Jahren bestanden eher aus einer Umbenennung der Bezeichnung der Berufsschulen (TES/TEL - TEE - EPAS/EPAS), als aus substanziellen Veränderungen.
Informationen zu der Erwachsenenbildung in Griechenland sind in dem Bericht des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung 1997 zu finden.
Informationen zu dem Berufsbildungssystem in Griechenland sind in dem Bericht von CEDEFOP zu finden.
Beschreibung
Im Jahr 2013 wurde auf Grundlage des Gesetzes Nr. 4186/13 das griechische Berufsbildungssystem zum Teil reformiert. Die EPAL und EPAS Schulen bleiben weiterhin in der gleichen Form wie zuvor bestehen. Allerdings ist es nun möglich an die dreijährige Ausbildung an einer EPAL Schule noch ein einjähriges betriebliches Praktikum (Τάξη μαθητείας) anzuschließen. Die Möglichkeit eine post-sekundäre berufliche Erstausbildung an Berufsausbildungsinstituten der IEK zu absolvieren, fällt jedoch weg. Dafür gibt es eine neue Berufsschulform, die sich SEK nennt:
Die Ausbildungsgänge an den Berufsschulen SEK erstrecken sich über zwei Jahre und existieren für 56 verschiedene Fachrichtungen. Der Unterricht umfasst fachbezogene Theoriestunden sowie praktische Lehreinheiten in schulischen Werkstätten und/oder Labors. Bei SEK-Ausbildungsgängen besteht die Möglichkeit, zusätzliche Praxisphasen in Betrieben einzulegen, womit sich die Ausbildungsdauer von 2 Jahren auf insgesamt 3 Jahre verlängert. Solche betrieblichen Ausbildungselemente erhöhen die Arbeitsmarktchancen der Jugendlichen deutlich. Die Absolventen der Berufsschulen (Σχολές επαγγελματικής κατάρτισης, SEK) erhalten ein Abschlusszeugnis (Δίπλωμα επαγγελματικής σχολής ), was sie zur Ausübung eines Berufs oder zum fachgebundenen Besuch eines postsekundären Berufsbildungsinstituts (IEK) berechtigt. Im Jahr 2016 wurden die Berufsschulen SEK nach dem Gesetz Nr. 4386/2016 abgeschafft. Die letzten Auszubildenden haben ihre Ausbildung im Jahr 2019 in diesen Berufsschulen absolviert.
Weiterführende Informationen
Informationen zur beruflichen Bildung finden sich auf der Website des Ministeriums für Bildung, Lebenslanges Lernen und religiöse Angelegenheiten. Diese Informationen sind fast ausschließlich nur auf Griechisch verfügbar.
Zentrale Informationen über berufliche Ausbildungsgänge sowie zu aktuellen Ausbildungsordnungen und Prüfungen in griechischer Sprache enthält diese Website:
Einen Überblick in deutscher Sprache über das griechische Berufsbildungssystem aus dem Jahre 2003 vermittelt folgende CEDEFOP-Publikation:
http://www.cedefop.europa.eu/EN/Files/5135_de.pdf
Detaillierte Informationen auf Englisch zum griechischen Berufsbildungssystem aus dem Jahr 2009 sind unter folgendem Link abrufbar:
http://www.cedefop.europa.eu/files/2009_cr_gr.pdf