Bosnien und Herzegowina
Beschreibung
Das Berufsbildungssystem Bosnien und Herzegowinas ist dezentral aufgebaut und in föderale und kantonale Zuständigkeiten unterteilt. Für die Entität Republika Srpska und das Brčko Distrikt gelten laut Verfassung gesonderte Bestimmungen.
Die Grundschule wird mit dem Zeugnis "Svjedodžba o završenoj osnovnoj školi" abgeschlossen. Nach der Grundschule belegen die Schüler einen drei- bzw. vierjährigen Bildungsgang an einer weiterführenden Schule "Mittelschule", (bos, kroat, serb. srednja škola). Unter dem Begriff „Mittelschule“ (bos.,serb., kroat. „Srednja škola“) werden alle weiterführenden Schulen nach der abgeschlossenen Grundschule verstanden, dazu gehören: Dreijährige Berufsschule (bos., serb., kroat. „Srednje stručne/strukovne škole“); vierjährige Technische Berufsbildende Schule (bos., serb., kroat., Tehničke i srodne škole), Gymnasium (bos., serb., kroat. „Gimnazije“), Kunstschule (bos., serb., kroat., „Srednje umjetničke škole“) und Religionsschule (bos., serb., kroat., „Srednje vjerske škole“). Die Abgänger der vierjährigen Schulen schließen ihre Ausbildung mit dem "Diploma o završenoj srednjoj školi", einem staatlich anerkannten Berufsabschluss, ab und können direkt auf den Arbeitsmarkt gehen. Gleichzeitig erwerben sie die Hochschulzugangsberechtigung.
Die dreijährigen Handwerks- und Industrieschulen (bos, kroat, serb. Srednje stručne/strukovne škole) schließen mit dem Erwerb des "Diploma o završenoj srednjoj stručnoj školi" ab und ermöglichen den Absolventen den direkten Übergang auf den Arbeitsmarkt.
Die Berufsschulen in BiH können ebenfalls Meisterprüfungen durchführen, die mit dem "Diploma o završenom petom stepenu stručne spreme" abgeschlossen werden bzw. Vorbereitungskurse auf diese Prüfungen anbieten. Die Kurse dauern je nach Profil im Durchschnitt anderthalb bis zwei Schuljahre. Die Kurse basieren auf dem Prinzip des selbstständigen Lernens. Es gibt keinen regulären Unterricht, sondern nur sogenannten „Instruktionsunterricht“ (bosnisch, serbisch, kroatisch „instruktivna nastava“).
Um zu einer Meisterprüfung zugelassen zu werden, muss der Teilnehmer eine abgeschlossene Erstausbildung in diesem Beruf haben und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung. Sollte der Teilnehmer eine Erstausbildung in einem anderen Beruf haben, muss er mindestens fünf Jahre Berufserfahrung in diesem Beruf haben, um zur Prüfung zugelassen zu werden. Zur Prüfung werden alle zugelassen, die diese Zugangsbedingungen erfüllen. Das Meisterdiplom in Bosnien und Herzegowina ist keine Hochschulzugangsberechtigung. Diese kann man nur nach dem Abschluss einer vierjährigen technischen oder verwandten Mittelschule erlangen.
Weitere Berufsbildung kann man an höheren Berufsschulen erwerben. Am ende des berufliche Grundstudiums wird das Zeugnis Diploma o završenim osnovnim strukovnim studijama ausgestellt. Das ist die Voraussetzung für höheres Fachstudium wodurch das Zeugnis Diploma o završenim specijalističkim strukovnim studijama erworben wird.
Berufliche Erwachsenenbildung ist weit verbreitet und wird oftmals in staatlich anerkannten Mittelschulen und staatlichen Zentren für lebenslanges Lernen angeboten. Die Erwachsenenbildung ist in Bosnien und Herzegowina nicht landesweit einheitlich geregelt. Einzelne Kantone haben in den letzten Jahren gesetzliche Regelungen bzw. offizielle Standards eingeführt, während in anderen Regionen gesetzliche Bestimmungen durch das Gesetz über mittlere Schulbildung geregelt werden. Auch der Stundenumfang der Bildungsangebote variiert sehr stark je nach Region.
Besonderheiten bei Bewertung von Abschlüssen aus Bosnien und Herzegowina
Nach derzeitigem Informationsstand wird in Bosnien und Herzegowina in einem Ausbildungsberuf zum gleichen Zeitraum nach bis zu 6 verschiedenen Lehrplänen ausgebildet.
Zwischen 1992 und 2004 wurde nach folgenden Lehrplänen ausgebildet:
- bosnische Lehrpläne
- aktuelle kroatische Lehrpläne
- ältere kroatische Lehrpläne
- aktuelle serbische Lehrpläne sowie
- ältere serbische Lehrpläne (jugoslawische)
Ab 2005 kamen folgende Lehrpläne parallel zum Einsatz:
- vom bosnischen Bildungsministerium, von der GIZ oder von EU-VET erstellte Lehrpläne
- ältere bosnische Lehrpläne
- aktuelle kroatische Lehrpläne
- ältere kroatische Lehrpläne
- Lehrpläne der Republik Srpska
- von der jeweiligen Schule entwickelte Lehrpläne mit staatlicher Anerkennung.
Die Schulen in Bosnien und Herzegowina sind bei der Wahl der Lehrpläne an keine einheitlichen Vorgaben gebunden. Die Vielfalt der eingesetzten Curricula ist in erster Linie historisch bedingt.
Politische Gliederung von Bosnien und Herzegowina
Der Staat Bosnien und Herzegowina existiert seit 1992 und besteht aus drei Verwaltungseinheiten Föderation Bosnien und Herzegowina (mehrheitlich von Bosniaken und bosnischen Kroaten bevölkert) und Republik Srpska (mehrheitlich von bosnischen Serben bevölkert) sowie aus dem Distrikt Brčko (Sonderverwaltungsgebiet, das direkt dem Gesamtstaat untersteht). Die Föderation Bosnien und Herzegowina setzt sich aus zehn Kantonen zusammen, die weitgehend autonom sind.
Verwendung von Curricula in Bosnien und Herzegowina
Auch die berufliche Bildung in Bosnien und Herzegowina ist dezentral organisiert und in föderale und kantonale Zuständigkeiten unterteilt.
Republik Srpska
In der Republik Srpska ist die berufliche Bildung zentralisiert und alle Schulen arbeiten seit 2005 vorwiegend mit einheitlichen Curricula. Sie sind auf der Webseite des pädagogischen Instituts der Republik Srpska (Републички педагошки завод Републике српске) hinterlegt und können hier heruntergeladen werden:
http://www.rpz-rs.org/index.php?option=btg_program_zanimanja#.V7W-8_mLS70.
Vor 2005 kamen in Srpska sowohl serbische als auch bosnische Lehrpläne (je nach Schule) zum Einsatz. Diese sind schwer zu recherchieren und können bestenfalls von den einzelnen Schulen zur Verfügung gestellt werden.
Föderation Bosnien und Herzegowina
Die Komplexität der kantonalen Struktur sowie wechselnde Mehrheiten von katholischen und muslimischen Bevölkerungsgruppen führen bei identischen Ausbildungsberufen zur parallelen Anwendung verschiedener Curricula – nicht nur zwischen den Kantonen sondern auch innerhalb. Diese Situation besteht unverändert seit Gründung der Föderation bis in die Gegenwart.
Grundsätzlich ist in der Föderation Bosnien und Herzegowina mit einer Verwendung älterer und neuerer kroatischer und bosnischer Curricula zu rechnen. Vereinzelt kommen auch von den Schulen konzipierte Lehrpläne zum Einsatz. Zu identifizieren, auf Basis welchen Lehrplans ein Abschluss erworben wurde, ist alles andere als trivial. Eine eindeutige Festlegung kann nur getroffen werden, wenn der Antragsteller/-in dem Zeugnis eine Fächerliste oder alle Jahreszeugnisse (drei oder vierjährige Ausbildungsberufe) beifügt.
Nach derzeitigem Informationsstand sind nur die neueren bosnischen Lehrpläne online abrufbar und zwar hier:
http://www.vetbih.org/portal/index.php?option=com_wrapper&view=wrapper&Itemid=177&lang=hr
Alle anderen Lehrpläne können nur über die jeweiligen Schulen oder die für die berufliche Bildung zuständige Institution des jeweiligen Kantons beschafft werden.
Brčko Distrikt
Im Distrikt Brčko, in dem nur gut 90.000 Menschen leben, wird auf Grund ethnischen Vielfalt nach den unterschiedlichsten Lehrplänen unterrichtet. Die einzelnen Schulen bilden nach bosnischen, kroatischen, serbischen oder eigenen Curricula aus.
Zeugnismerkmale in Bosnien und Herzegowina
Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist die Schrift. Abgesehen von älteren Zeugnissen aus den 90er Jahren sind Dokumente aus der Föderation Bosnien und Herzegowina in lateinischer Schrift verfasst. In Zeugnissen der Republik Srpska wird vorwiegend kyrillische Schrift verwendet, jedoch stellen einzelne Schulen auch Zeugnisse in lateinischer Schrift aus. Im Distrikt Brčko finden beide Schriften gleichermaßen Anwendung.
Ferner ist in den Zeugnissen angeführt, in welcher Stadt bzw. welchem Kanton das Dokument ausgestellt wurde. An Hand der beigefügten Karte lässt sich identifiztieren, ob die Ausbildung in Srpska, der Föderation Bosnien und Herzegowina oder in dem Distrikt Brčko stattfand. Bei einer Ausbildung in Srpska mit einem Abschluss ab dem Jahr 2005 können Sie davon ausgehen, dass durchweg einheitliche Lehrpläne verwendet wurden, die entweder im BQ-Portal hinterlegt sind oder auf der weiter oben angegebenen Website heruntergelanden werden können.
Die Systeme der beruflichen Bildung in der Föderation Bosnien und Herzegowina sowie im Distrikt Brčko sind sehr intranspartent und auch für Experten schwer nachvollziehbar.
Das Bildungssystem von Bosnien und Herzegowina hat seit dem Daytoner Abkommen unterschiedliche Reformen auf allen Bildungsniveaus durchlaufen.
Im Berufsbildungsbereich wurde seit 1997 mit verschiedenen Reformprozessen begonnen. So wurden im Jahr 2004 unterschiedliche Bildungsgänge zusammengelegt und Berufsfamilien gebildet. Das Ergebnis waren dreizehn Berufsfamilien und 101 Berufe (im Vergleich zu ehemals 456 Bildungsgängen). Mit Hilfe von unterschiedlichen internationalen Gebern wurden für fast 80% der neuen Berufe auch neue modulare Curricula entwickelt. Diese werden in fast 80% der Berufsbildungsschulen Bosnien und Herzegowinas angewandt. Zurzeit führt die Bildungsabteilung eine Evaluierung der neuen modularen Curricula mit internationaler Unterstützung durch.
Im Jahr 2003 wurde in der Republika Srpska die neunjährige Grundschule eingeführt, in der Föderation hat der letzte Kanton 2008 damit begonnen.
Seit den letzten Reformprozessen in der Berufsbildung versucht man, alle relevanten Partner in die Arbeit der Schulen einzubinden. So sind in den Aufsichtsräten der Schulen Vertreter der Gemeinde, der Eltern und der Arbeitgeber, wie auch der Schule vertreten. Die Rolle dieser Aufsichtsräte ist es über Neueinstellungen in der Schule zu bestimmen, über neue von den Vertretern der Schule vorgeschlagene Curricula zu entscheiden, sowie die Arbeit der Schule fachlich zu unterstützen und ihre Interessen in anderen Gremien zu fördern.
Um im Rahmen der dreijährigen Ausbildung an Berufsschulen einen höheren Praxisanteil erreichen zu können, schließt die Schule einen Vertrag mit dem Unternehmen, der die zu vermittelnden Inhalte und die zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen für die Schüler vorsieht. In diesen Schulen ist auch meistens ein Lehrer für die Koordination der Zusammenarbeit zwischen Schule und Unternehmen zuständig, der den ständigen Kontakt zu den Betrieben hält, die Schüler kontaktiert und bei eventuell auftretenden Problemen sowohl Ansprechpartner für die Schüler als auch für den Betrieb ist.
Historische Entwicklung
Beschreibung
Weiterführende Informationen
Relevante Informationen zum Bildungssystem in BiH und zu Curricula sind auf der Website der Bildungsagentur zu finden. (Abteilung für Berufsbildung und lebenslanges Lernen)