Länderprofil
Abbildung Niederlande 1997

Niederlande

Gültigkeit Seit 01.08.1997
Amtssprache Niederländisch

Beschreibung

Das Berufsbildungssystem der Niederlande ist national einheitlich geregelt, aber dezentral verwaltet und gesteuert. Die wichtigsten Akteure der überwiegend schulischen Berufsausbildung sind die regionalen Ausbildungszentren (ndl. Regionale Opleidingscentra – ROC) und die landwirtschaftlichen Ausbildungszentren (ndl. Agrarische Opleidingscentra – AOC). Darüber hinaus gibt es die Kenntniszentren Berufsbildung und Wirtschaft (ndl. kenniscentra beroepsonderwijs bedrijfsleven), die in der Stiftung Zusammenarbeit Berufsbildung Wirtschaft (Samenwerking Beroepsonderwijs Bedrijfsleven - S-BB) zusammengeschlossen sind, und branchenbezogene Fachschulen (ndl. Vakscholen), die lediglich in speziellen Berufen ausbilden (z.B. Schifffahrt, Design und Lebensmittelindustrie).

Berufsvorbereitende Schulbildung

Nach dem Besuch der 7- 8-jährigen Grundschule (ndl. basisschool) können die Schülerinnen und Schüler die 4-jährigen Voorbereidend middelbaar beroepsonderwijs - VMBO (dt. vorbereitender mittlerer beruflicher Unterricht) besuchen. Diese seit 1997 bestehende, vollzeitschulische Ausbildung bereitet auf eine berufliche Ausbildung im Rahmen des sogenannten mittleren beruflichen Unterrichts vor und führt zum „VMBO Diploma“ (Abschlusszeugnis). Es werden vier Lernwege mit einem unterschiedlichen Verhältnis von berufsbildenden und allgemeinbildenden Fächern sowie variierendem berufspraktischem Anteil angeboten.

Berufliche Erstausbildung

Zugangsvoraussetzung für die mittlere Berufsausbildung (ndl. middelbaar beroepsonderwijs – MBO) ist ein Mindestalter von 16 Jahren und der erfolgreiche Abschluss der vorbereitenden mittleren Bildung (VMBO). Die mittlere Berufsausbildung wird mit dem Zeugnis diploma beroepsonderwijs (Abschlusszeugnis Berufsschule) auf vier möglichen Niveaustufen abgeschlossen. Absolventen sollten in der Lage sein, auf...

Niveau 1 „assistentenopleiding“ (dt. Assistentenausbildung) einfache ausführende Arbeiten unter Aufsicht auszuführen (Dauer: ½ – 1 Jahr),

Niveau 2 „basisberoepsopleiding“ (dt. Basisberufsausbildung) eigenverantwortlich Arbeiten in einem eigenen Aufgabengebiet zu übernehmen (Dauer: 2 – 3 Jahre),

Niveau 3 „vakopleiding“ (dt. berufliche Fachbildung) selbständig Tätigkeiten auszuführen und auch die Arbeit Anderer zu begleiten und zu kontrollieren (Dauer: 2 – 4 Jahre),

Niveau 4 „middenkaderopleiding“ (dt. Ausbildung für das mittlere Management) selbständig Tätigkeiten in einem breiten Einsatzgebiet auszuführen, Verantwortung für einen organisatorischen Bereich zu übernehmen und Aufgaben zu delegieren (Dauer: 3 – 4 Jahren).

Niveau 4 „specialistenopleiding“ (dt. Spezialistenausbildung) selbständig Tätigkeiten in einem speziellen Einsatzbereich auszuführen, Verantwortung für einen organisatorischen Bereich zu übernehmen und Aufgaben zu delegieren. Zugangsvoraussetzung für diese Zusatzqualifikation ist ein „diploma beroepsonderwijs“ auf Niveau 3 oder 4 (Dauer 1 – 2 Jahre).

Für ca. die Hälfte der rund 300 Ausbildungsgänge des berufsbildenden Sekundarbereichs (MBO) gibt es zwei unterschiedliche Lernwege, bei denen der Umfang des Praxisanteils (ndl. beroepspraktijkvorming – BPV) variiert:

  • der berufsausbildende Lernweg (ndl. beroepsopleidende leerweg - BOL) ist mit einem Praxisanteil von 20 Prozent bis 60 Prozent überwiegend schulisch organisiert,
  • der berufsbegleitenden Lernweg (ndl. beroepsbegeleidende leerweg - BBL) ist dagegen mit einem Praxisanteil von mindestens 60 Prozent in etwa mit einer dualen Ausbildung vergleichbar.
Landesspezifische Besonderheiten

Das niederländische Berufsbildungssystem zeichnet sich durch eine modulare Struktur aus, die eine hohe Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Bildungsgängen ermöglicht.

Aktuelle Reformprozesse

Eine wichtige Reform begann am 1. Oktober 2003 mit der Vereinbarung „Ans Werk!“ (ndl. convenant „Aan de slag!"), die von den wichtigsten Akteuren im Bereich der beruflichen Bildung getragen wird. Ziele der Vereinbarung sind die Erhöhung der Attraktivität beruflicher Bildung, größerer Praxisbezug der Berufsausbildung, eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den beruflichen Bildungsgängen (VMBO, MBO und HBO) sowie eine verbesserte Kompetenzerfassung von Auszubildenden.

Mit dem Aktionsplan "Fokus auf Fachkönnen 2011-2015" (ndl. „Actieplan mbo Focus op Vakmanschap 2011-2015“), der am 16. Februar 2011 vom niederländischen Parlament verabschiedet wurde, erhielt die Umstrukturierungsphase des niederländischen Berufsbildungssystems ihre rechtliche Verankerung. Einerseits sollen die Ausbildungsberufsbilder branchenübergreifend kompetenz-, problemlösungs- und handlungsorientiert formuliert und die Attraktivität der Berufe erhöht werden. Andererseits soll die Anzahl der Aus- und Weiterbildungsberufe weiter reduziert werden. Seit dem Schuljahr 2012/2013 gibt es anstelle von ca. 630 verschiedenen Berufsausbildungen (ndl. kwalificaties) nur noch 237 Qualifikationsdossiers mit 612 Fachrichtungen.

In den letzten Jahren wurden in den Niederlanden einige Pilotprojekte und Modellversuche gestartet, um den hohen Abbruchquoten und einer geringeren Wertschätzung der mittleren Berufsausbildung (MBO), im Vergleich zu den allgemeinbildenden Bildungswegen (HAVO und VWO) entgegenzuwirken. Seit 2005 werden beispielsweise sogenannte „kompetenzorientierte Berufsausbildungen“ erprobt. Darüber hinaus werden seit 2008 integrierte Bildungsgänge (VMBO und MBO) gestartet. Die Durchlässigkeit zwischen dem mittleren beruflichen Bildungswesen und den Fachhochschulen soll dadurch gefördert werden, dass MBO-Absolventen durch die Teilnahme an einem sogenannten „Ad-programma“ an einer Fachhochschule (Dauer: 2 Jahre) einen kleinen Fachhochschulabschluss namens „Associate Degree“ („ad“) erwerben können. Da die Erprobungsphase dieser „Ad-programma’s“ erfolgreich verlief, wurden sie zum Schuljahr 2014/2015 hin fest in das Bildungsprogramm mit aufgenommen.

Historische Entwicklung

Berufsbildungssystem von 1985 bis 1997
Gültigkeit: 01.01.1985 - 31.07.1997

Beschreibung

Mit dem zum 1. Januar 1996 in Kraft getretenen “Wet Educatie en Beroepsonderwijs” – WEB (dt. Erwachsenen- und Berufsbildungsgesetz) erfolgte eine entscheidende Reform des Berufsbildungssystems. Davor war die grundlegende Berufsausbildung mit allgemeinbildenden und beruflichen Inhalten (seit 1999 VMBO) auf drei verschiedene Bildungsgänge verteilt:

  • middelbaar algemeen voorbereidend onderwijs – MAVO: mittlerer allgemeiner vorbereitender Bildungsgang, vergleichbar mit der Realschule (Abschluss: MAVO diploma),
  • ndl. lager beroepsonderwijs – LBO: niedriger beruflicher Bildungsgang, wurde später vorbereitender beruflicher Bildungsgang (VBO) genannt und ist mit der Hauptschule vergleichbar (Abschluss: VBO diploma),
  • individueel voorbereidend beroepsonderwijs – IVBO: individuelle berufliche Bildungsgänge, vergleichbar mit der Sonderschule (Abschluss: IVBO diploma)

Die weiterführende Berufsausbildung war in zwei Zweige unterteilt, das schulbasierte System und das Lehrlingswesen.

Im schulbasierten System besuchten die Auszubildenden in Vollzeit eine berufliche Schule (MBO oder KMBO). Die Ausbildung wurde häufig mit Praxisphasen in Form von Praktika bei Unternehmen oder Institutionen ergänzt, deren Dauer zwischen einigen Wochen bis zu einem Jahr variierte.

Das niederländische Lehrlingswesens wies große Ähnlichkeiten mit dem deutschen Lehrlingswesen auf: Die Auszubildenden arbeiteten drei bis vier Tage pro Woche im Betrieb, ein bis zwei Tage besuchten sie den berufsschulischen Unterricht.

Das Lehrlingswesen war in drei aufeinanderfolgenden Stufen unterteilt:

  1. Grundlegende Ausbildungskurse (Dauer: 1 bis 3 Jahre)
  2. Sekundäre Ausbildungskurse (Dauer: max. 2 Jahre)
  3. Tertiäre Ausbildungskurse (Dauer: max. 2 Jahre) als Vorbereitung für mittlere Führungspositionen

Der Berufsschulunterricht wurde mit der Lehrlingsausbildung zusammengelegt in den regionalen (ROC) und landwirtschaftlichen Ausbildungszentren (AOC), um das theoretische und fachpraktische Lernen zu verbinden.

Weiterführende Informationen

Quellen und Links

Umfassende Informationen zur beruflichen Bildung liefern die Webseiten der ROC (ndl. Regionale Opleidingscentra – ROC) und der AOC (ndl. Agrarische Opleidingscentra – AOC). Viele der Informationen sind nur auf Niederländisch verfügbar, lassen sich aber recht gut mit "Online-Translatorn" übersetzen.

Im Zentralen Register Berufsbildung (ndl. centraal register beroepsonderwijs – CREBO) der Stiftung Zusammenarbeit Berufsbildung Wirtschaft (ndl. Stichting Samenwerking Beroepsonderwijs Bedrijfsleven – S-BB) sind alle Berufsausbildungen des Sekundarbereichs II mit einer sog. CREBO-Nummer verzeichnet. Diese Nummern wurden vom Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft (ndl. Ministerie van Onderwijs, Cultuur en Wetenschap – OCW) und dem Ministerium für Wirtschaft, Landwirtschaft und Innovation (ndl. Ministerie van Economie, Landbouw en Innovatie – ELI) genehmigt.
Das Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft ist zuständig für die formale Bildung auf allen Stufen. Es legt jährlich fest, welche beruflichen Qualifikationen in das CREBO-Register aufgenommen werden.

Die Stiftung Zusammenarbeit Berufsbildung Wirtschaft (S-BB) ist ein Zusammenschluss der Zentren für Berufsbildung Wirtschaft (ndl. kenniscentra beroepsonderwijs bedrijfsleven). Diese waren bis 2012 unter der Bezeichnung COLO zusammengeschlossen. Die S-BB erstellt seit dem 1. Januar 2012 die sog. "Qualifikationsdossiers" (ndl. kwalificatiedossiers), die den deutschen Ausbildungsordnungen ähneln. Auf der Seite der S-BB finden Sie viele  kwalificatiedossiers bzw. Ausbildungsinhalte ab dem Jahr 2005. Die S-BB stellt außerdem eine Liste mit den Europass-Zeugniserläuterungen der Berufe zur Verfügung.

Gesetze und Informationen über die staatlichen Organe in den Niederlanden finden sich im Internetportal: www.overheid.nl

Alle Einrichtungen der mittlere Berufsausbildung (z.B. die ROC's und AOC's) sind in einem Berufsverband, dem niederländischen Rat für Berufsausbildung (ndl. MBO Raad), vormals BVE Raad, zusammengeschlossen.

Das Zentrum für Innovation in der Ausbildung (ndl. Centrum van Innovatie voor Opleidingen - CINOP) in den Niederlanden ist eine  unabhängige Beratungsagentur für die berufliche Bildung.

Informationen des Auswärtigen Amtes