Länderprofil
Abbildung Estland 2013

Estland

Gültigkeit Seit 01.09.2013
Amtssprache Estnisch Estnisch (einzige offizielle Sprache), Russisch (Verkehrssprache in Regionen, in denen die russischsprachige Bevölkerung dominiert, besonders im Nordosten)

Beschreibung

Die grundlegenden Strukturen des Bildungssystems in Estland werden durch das Parlament festgelegt. Für die konkrete Umsetzung des Bildungsstandards ist jedoch das Bildungs- und Forschungsministerium verantwortlich. Für das gesamte Land gelten einheitliche Vorschriften, wie beispielsweise das Bildungsgesetz, das Gesetz über die allgemeinbildende Schule und das Gymnasium, Gesetz über die berufliche Bildungseinrichtung und Gesetz über den Beruf.

Das estnische Bildungssystem besteht aus folgenden Stufen:

  1. Vorschulische Bildung
  2. Die grundlegende Bildung wird an Grundschulen (Põhikoolis) durchgeführt.
  3. Die allgemeine Sekundarbildung findet an Gymnasien (Gümnaasiumis) und die berufliche an Berufsschulen (kutseõppeasutus) statt.
  4. Die Hochschulbildung wird an beruflichen Hochschulen (Rakenduskõrgkoolid) und Universitäten (Ülikoolid) vermittelt.
  5. Die Weiterbildung findet an diversen Institutionen der anderen Bildungsbereiche sowie an sonstigen Institutionen statt.

Zudem gibt es eine Bildungsstufe, die zwar auf der Sekundarbildung basiert, allerdings nicht als Hochschulbildung angesehen werden kann: Diese Stufe wird "spezialisierte Berufsbildung" bezeichnet. 

Das estnische Berufsbildungssystem ist durch Berufsbildungseinrichtungen in staatlicher, regionaler, kommunaler und privater Trägerschaft vertreten. Die staatlichen Berufsbildungseinrichtungen unterstehen dem Staat, der durch das Ministerium für Bildung und Forschung oder regionale bzw. kommunale Regierungen vertreten wird. In der estnischen Berufsbildung wurde im Jahr 2013 das Credit-Points-System eingeführt: Das EKAP-Credit-Point-System basiert auf ECVET. Jeder EKAP-Punkt entspricht für einen durchschnittlichen Studenten/Auszubildenden 26 Unterrichts-/Lernstunden.  

In Estland werden folgende Berufsbildungsprogramme unterschieden:

  • Berufsausbildung der 2. Stufe (esmaõpe 2. tase): diese Form der beruflichen Erstausbildung steht allen Interessenten ohne Zugangsvoraussetzungen offen. Hier werden unqualifizierte Arbeiter ausgebildet (estn.: ihttöölised). Die Lehrgänge dieser Stufe umfassen 15 bis 120 EKAP-Punkte, also 390 bis 3.120 Stunden, und bestehen zu mind. 70 % aus praktischen Unterrichtsformen bzw. beruflicher Praxis. Anschließend können die Absolventen (Aus-) Bildungsänge der grundlegenden oder der mittleren Allgemeinbildung, der mittleren Berufsbildung, der Berufsausbildung der 4. Stufe, der Berufsausbildung für Personen, die nicht jünger als 22 Jahre sind und keinen Abschluss der grundlegenden Allgemeinbildung haben, oder der Berufsausbildung der 3. Stufe besuchen. Am Ende der Bildungsstufe wird das Zeugnis Löputunnistus pöhihariduse nöudeta kutseöppe läbimise kohta ausgestellt.
  • Berufsausbildung der 3. Stufe (esmaõpe 3. tase): diese Form der beruflichen Erstausbildung steht allen Interessenten ohne Zugangsvoraussetzungen offen und bildet Bedienpersonal für Maschinen und Anlagen, qualifizierte Arbeiter, Handwerker, Angestellte/Arbeiter im Dienstleistungsbereich, Verkäufer mit einfachen Aufgabenfeldern aus (estn.: lihtsad ametid seadme- ja masinaoperaatorite, oskustöötajate ja käsitööliste, teenindus- ja müügitöötajate ametialades). Solche Lehrgänge umfassen 15 bis 120 EKAP-Punkte, also 390 bis 3.120 Stunden, und bestehen zu mind. 50 % aus praktischen Unterrichtsformen bzw. beruflicher Praxis. Anschließend können die Absolventen (Aus-) Bildungsänge der grundlegenden oder der mittleren Allgemeinbildung, der mittleren Berufsbildung, der Berufsausbildung der 4. Stufe oder der Berufsausbildung für Personen, die nicht jünger als 22 Jahre sind und keinen Abschluss der grundlegenden Allgemeinbildung haben, besuchen. Am Ende der Bildungsstufe wird das Zeugnis Löputunnistus pöhihariduse baasil kutseöppe läbimise kohta ausgestellt.
  • Berufsausbildung der 4. Stufe als berufliche Erstausbildung (esmaõpe 4. tase) auch mittlere Berufsbildung (kutsekeskharidusõpe) genannt. Zu dieser Ausbildungsform werden Personen mit einem Abschluss der grundlegenden Allgemeinbildung (põhiharidus) oder Personen ohne diesen Schulabschluss, die mind. 22 Jahre alt sind, zugelassen. Die Ausbildung bildet Bedienpersonal für Maschinen und Anlagen, qualifizierte Arbeiter, Handwerker, Angestellte/Arbeiter in der Land- oder Fischwirtschaft bzw. im Dienstleistungsbereich und Verkäufer mit komplexeren Aufgabenfeldern aus (estn.: keerukamad ametid seadme- ja masinaoperaatorite, oskustöötajate ja käsitööliste, põllumajanduse ja kalanduse oskustööliste, teenindus- ja müügitöötajate ning ametnike ametialades). Solche Lehrgänge umfassen 180 bzw. 15-150 EKAP-Punkte, also 390 bis 3.900 Stunden, und bestehen zu mind. 35 bzw. 50 % aus praktischen Unterrichtsformen bzw. beruflicher Praxis. Anschließend können die Absolventen einen Ausbildungsgang des 4. oder 5. Stufe, einjährige allgemeinbildende Programme oder angewandte Hochschulbildung bzw. Bachelorstudiengänge besuchen. Am Ende der Bildungsstufe wird das Zeugnis Löputunnistus kutsekeskhariduse omandamise kohta ausgestellt.
  • Berufsausbildung der 4. Stufe als berufliche Weiterbildung/Fortbildung (jätkuõpe 4. tase): Zu dieser Weiterbildungsform werden Personen mit einem Abschluss der grundlegenden Allgemeinbildung und anschließender Ausbildung der 4. Stufe oder Personen mit entsprechenden Kompetenzen zugelassen. Die Weiterbildung mündet in der Vorbereitung von Maschinen- und Anlagenbedienern, qualifizierten Arbeitern, Handwerkern, Angestellten/Arbeitern in der Land- oder Fischwirtschaft bzw. im Dienstleistungsbereich und Verkäufern mit komplexeren Aufgabenfeldern (keerukamad ametid seadme- ja masinaoperaatorite, oskustöötajate ja käsitööliste, põllumajanduse ja kalanduse oskustööliste, teenindus- ja müügitöötajate ning ametnike ametialades). Solche Lehrgänge umfassen 15-60 EKAP-Punkte, also 390 bis 1.560 Stunden, und bestehen zu mind. 50 % aus praktischen Unterrichtsformen bzw. beruflicher Praxis. Anschließend können die Absolventen Bildungsgänge der mittleren Allgemeinbildung, der mittleren Berufsbildung und, wenn sie bereits einen Abschluss der mittleren Allgemeinbildung haben, Ausbildungsgänge der 5. Stufe oder angewandte Hochschulbildung bzw. Bachelorstudiengänge besuchen.
  • Berufsausbildung der 5. Stufe als berufliche Erstausbildung (esmaõpe 5. tase): Zu dieser Ausbildungsform werden Personen mit einem Abschluss der mittleren Allgemein- oder Berufsbildung zugelassen. Hier werden Fachkräfte der mittleren Ebene, Techniker oder Beamte ausgebildet (estn.: keskastme spetsialistid, tehnikud ja ametnikud). Solche Lehrgänge umfassen 120 bis 150 EKAP-Punkte, also 3.120 bis 3.900 Stunden, (Militärlehrgänge umfassen 60 bis 150 EKAP bzw. 1.560 bis 3.900 Stunden) und bestehen zu mind. 50 % aus praktischen Unterrichtsformen bzw. beruflicher Praxis. Anschließend können die Absolventen einen Weiterbildungsgang der 5. Stufe oder Studiengänge der angewandten Hochschulbildung bzw. Bachelorstudiengänge besuchen. Am Ende der Bildungsstufe wird das Zeugnis Löputunnistus keskhariduse baasil kutseöppe läbimise kohta ausgestellt.
  • Berufsausbildung der 5. Stufe als berufliche Weiterbildung/Fortbildung (jätkuõpe 5. tase): Zu dieser Weiterbildungsform werden Personen mit einem Abschluss der mittleren Allgemein- oder Berufsbildung, die zudem einen Berufsabschluss der 4. oder 5. Qualifikationsstufe besitzen bzw. über entsprechende Kompetenzen verfügen, zugelassen. Hier werden Bediener von Maschinen und Anlagen, qualifizierte Arbeiter, Handwerker, Angestellte/Arbeiter in der Land- oder Fischwirtschaft bzw. im Dienstleistungsbereich, Verkäufer und Beamte mit komplexen Aufgabenfeldern ausgebildet (estn.: keerukamad ametid seadme- ja masinaoperaatorite, oskustöötajate ja käsitööliste, põllumajanduse ja kalanduse oskustööliste, teenindus- ja müügitöötajate ning ametnike ametialades). Sie bestehen zu mind. 50 % aus praktischen Unterrichtsformen bzw. beruflicher Praxis. Anschließend können die Absolventen Studiengänge der angewandten Hochschulbildung bzw. Bachelorstudiengänge besuchen.

Quellen:

Estnisches Ministerium für Bildung und Forschung (engl.)

Landesspezifische Besonderheiten

Als eigenständiger Staat existiert Estland erst seit 1991, als es sich während der Auflösung der Sowjetunion für unabhängig erklärte. Mehr Informationen über das Berufsbildungssystem vor der Unabhängigkeit sind unter dem Berufsbildungssystem der Sowjetunion zu finden.

Aktuelle Reformprozesse

Durch das neue Berufsbildungsgesetz, das am 1. September 2013 in Kraft getreten ist, werden sich die Bezeichnungen der Abschlüsse verändern. Allerdings wurde das Gesetz von der Regierung noch noch veröffentlicht.

Quelle: Tallinn University (2011): "Curricula Reform In Vocational Education In Estonia" / Ministerium für Bildung und Wissenschaft Estland

Historische Entwicklung

Berufsbildungssystem von 1991 bis 2005
Gültigkeit: 01.01.1991 - 31.12.2005

Beschreibung

Das Berufsbildungssystem war in den ersten Jahren nach dem Erklären der Unabhängigkeit noch stark vom sowjetischen Erbe geprägt. Die erste Hälfte der 1990er Jahre stand im Zeichen des Umbruchs. Viele Schulen entwickelten eigene Curricula ohne staatliche Aufsicht.

Von 1991 bis 1996 erhielten Absolventen einer beruflichen Ausbildung ein "Diplom" ("keskerihariduse omandamise kohta" - Abschluss einer spezialisierten Sekundarbildung). Später wurde das "Diplom" umbenannt in "Lõputunnistus". Absolventen, die ihre Ausbildung im Zeitraum von 1995-1999 begannen, erhielten den Abschluss "Lõputunnistus keskerihariduse omandamise kohta" (Abschluss einer spezialisierten Sekundarbildung). Beide Ausbildungsgänge konnten nach erfolgreichem Abschluss der Sekundarstufe I oder II begonnen werden.

Der Abschluss "Lõputunnistus kutse- ja keskhariduse omandamise kohta" (Zertifikat beruflicher und sekundärer Bildung) konnte seit 1995 erworben werden. Absolventen, die ihre Ausbildung im Schuljahr 1997/98 begannen, waren die Letzten, die diesen Abschluss erhielten. 

Nach dem Inkrafttreten des "Vocational Education Institution Act" von 1998 (Kutseõppeasutuse seadus) erhielten Absolventen, die ihre Ausbildung nach Abschluss der Sekundarstufe I begannen, den Abschluss "Lõputunnistus põhihariduse baasil kutsekeskhariduse omandamise kohta" (Zertifikat beruflicher Bildung basierend auf Sekundarstufe I). Absolventen, die ihre Ausbildung nach Abschluss der Sekundarstufe II begannen, erhielten den Abschluss "Lõputunnistus keskhariduse baasil kutsekeskhariduse omandamise kohta" (Zertifikat beruflicher Bildung basierend auf Sekundarstufe II). Dieses System wurde bis zum Jahr 2005 beibehalten.

Eine Übersicht in estnischer und in englischer Sprache findet sich auch unter Zusatzinformationen

Berufsbildungssystem von 1950 bis 1991
Gültigkeit: 01.01.1950 - 20.08.1991

Beschreibung

In diesem Zeitraum gehörte Estland zur Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, kurz UdSSR, an. Eine Beschreibung des Berufsbildungssystems der UdSSR findet sich hier.

Berufsbildungssystem von 2005 bis 2013
Gültigkeit: 01.01.2005 - 31.08.2013

Beschreibung

In diesem Zeitraum ist Estlands Berufsbildungssystem nach wie vor zentralistisch organisiert.

Bereits in der Sekundarstufe I haben Schüler die Möglichkeit, einzelne berufsbildende Kurse zu belegen. Nach Abschluss der Sekundarstufe I können Schüler entweder eine allgemeinbildende Schule der Sekundarstufe II, das sogenannte "gümnaasium", oder eine Berufsschule der Sekundarschule II, das sogennante "kutseõppeasutus", besuchen. Etwa 70% aller Schüler besuchen das "gümnaasium".

Estlands Berufsbildungssystem hat eine große Variantenvielfalt mit verschiedenen Startniveaus. Allgemeine Mindestzugangsvoraussetzung für eine Berufsausbildung der Sekundarstufe II ist das Abschlusszeugnis der Sekundarstufe I ("Põhikooli lõputunnistus") oder die Vollendung des 16. Lebensjahres.

Während manche Programme rein berufsbildend sind, kombinieren andere allgemeine Schuldbildung mit beruflicher Bildung. Reine berufsbildende Programme haben eine Dauer von einem bis zweieinhalb Jahren. Absolventen erhalten das Zertifikat "lõputunnistus põhihariduse baasil kutseõppe läbimise kohta" (Abschlusszeugnis der Berufsbildung Sekundarstufe II ohne allgemeine Schulbildung). Nach einem zusätzlichen Jahr allgemeiner Schulbildung besteht die Möglichkeit, an eine höhere Berufsschule aus dem postsekundären nicht tertiären Bereich zu wechseln. Die Dauer variiert abhängig vom gewählten Programm zwischen einem und zweieinhalb Jahren. Absolventen erhalten den Abschluss "lõputunnistus keskhariduse baasil kutseõppe läbimise kohta" (Abschlusszeugnis der höheren Berufsschule).

Programme, die berufliche Bildung mit allgemeiner Schulbildung kombinieren, haben eine Dauer von mindestens drei Jahren mit einem Mindestanteil allgemeiner Bildungsinhalte von 30 %. Absolventen erhalten das Zertifikat "lõputunnistus kutsekeshariduse omandamise kohta" (Abschlusszeugnis der Berufsbildung Sekundarstufe II mit allgemeiner Schulbildung).

Nach Abschluss des "gümnaasium" haben Absolventen die Wahl zwischen einem Studium an einer Universität ("ülikool") oder einer beruflichen Hochschule ("kutseõppeasutus"). Die Dauer der Programme an einer beruflichen Hochschule variiert zwischen drei und vier Jahren. Absolventen erhalten das Zertifikat "rakenduskõrgharidusõppe diplom".

In allen beruflichen Ausbildungsgängen beträgt der praktische Anteil mindestens 50 %. Die Abschlussprüfung an einer Berufsschule kann durch eine berufliche Qualifikationsprüfung ("kutseeksam") ersetzt werden. Diese wird von der nationalen Qualifikationsbehörde beaufsichtigt. Absolventen erhalten ein sogenanntes Berufszertifikat ("kutsetunnistus").

Quelle: nuffic (2011): "Country module - Estonia" / Ministerium für Bildung und Wissenschaft Estlands

Nationale Curricula, die Dauer, Struktur, Ziele, Pflichtmodule und Umfang der Pflichtmodule sowie Richtlinien zur Beurteilung einer beruflichen Ausbildung festlegen, werden seit 2005 vom estnischen Ministerium für Bildung und Wissenschaft erarbeitet. Seit dem Schuljahr 2008/2009 haben die Berufsschulen damit begonnen, ihre Curricula an die einheitlichen Standards der nationalen Rahmencurricula anzupassen.

Durch das neue Berufsbildungsgesetz, das am 1. September 2013 in Kraft getreten ist, werden sich die Bezeichnungen der Abschlüsse verändern. Allerdings wurde das Gesetz von der Regierung noch noch veröffentlicht.

Quelle: Tallinn University (2011): "Curricula Reform In Vocational Education In Estonia" / Ministerium für Bildung und Wissenschaft Estland

Weiterführende Informationen

Quellen und Links

Mehr Informationen über das estnische Bildungssystems sind auf den Seiten des Estonian Academic Recognition Information Centre und des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft zu finden.

 

Informationen des Auswärtigen Amtes